Betrieb mit geretteten Lebensmitteln – oder: Wenn gute Absicht und Realität kollidieren
Ein grauer Morgen, irgendwo in einem unscheinbaren Gewerbegebäude am Rande der Stadt. Von außen sah es aus wie eine alte Bäckerei, drinnen aber summten Edelstahlmaschinen, es roch nach Tomaten, Gewürzen und leicht säuerlichem Dampf. Die Luft war warm, feucht, durchzogen von einem Hauch Restbrot und Orangenschalen – Reste der letzten Produktion.
Wir waren ein kleines, zusammengewürfeltes Team: ehemalige Köche, Quereinsteiger, Sozialhilfeempfänger, Menschen in Wiedereingliederungsprogrammen. Einer hatte früher in einem Sternehaus gearbeitet, eine andere kam aus der Pflege und wollte „endlich mal was mit den Händen machen“. Und mittendrin: der Chef – Mitte fünfzig, leicht gehetzter Blick, immer ein Telefon am Ohr, ständig zwischen Idealismus und Excel-Tabellen gefangen.
Unser Auftrag: aus geretteten Lebensmitteln neue Produkte herstellen. Nachhaltig, sinnvoll, lokal.
Zum Glück wurde das Projekt teilweise von der Stadt finanziert – die mochten solche Projekte für ihre Statistiken.
Und wenn am Ende noch ein paar Gläser Pastasauce für Restaurants raussprangen, war die Welt in Ordnung.
An dem Tag stand „Spaghetti all’amatriciana“ auf dem Plan.
Ein halber Schweinebauch lag auf dem Tisch, glänzend, mit feinen Fettadern durchzogen. Wir schnitten, brieten, rührten. Zwiebeln, Tomaten, Gewürze, ein Schuss geretteter Weißwein.
Stundenlang köchelte die Sauce – der Duft war umwerfend.
Es fühlte sich fast an wie in einer echten Restaurantküche, nur dass wir mit Lebensmitteln arbeiteten, die anderswo längst im Container gelandet wären.
Kurz vor Feierabend, als alle müde waren und die Wände vom Dampf leicht klebrig glänzten, kam jemand auf die Idee:
„Lass uns die Sauce über Nacht im Combisteamer garen. Langsam, sanft, dann ist sie morgen perfekt.“
Gesagt, getan.
Mehrere Kilo Sauce wurden in große Edelstahlbehälter gefüllt, sorgfältig mit Alufolie abgedeckt, Deckel drauf, Temperatur eingestellt.
Es roch nach Erfolg – nach Sinn.
Am nächsten Morgen, kurz nach sieben.
Noch bevor der erste Kaffee fertig war, kam der Schreck.
Einer der Kollegen öffnete den Steamer – und ein beißender metallischer Geruch schlug ihm entgegen.
Die Folie hatte sich aufgelöst, kleine silberne Partikel schwammen auf der Oberfläche der Sauce.
Ein feiner Glanz, fast schön – wäre er nicht toxisch gewesen.
Der Chef kam mit hochrotem Kopf, Handy am Ohr, schwitzend.
„Ja, hallo, Giftnotruf? Wir haben da… ähm… Aluminium in Tomatensauce.“
Sein Blick wechselte zwischen Panik und Verzweiflung.
„Wie viel? Na ja, so… 80 Liter vielleicht.“
Ein kurzer Moment Stille, dann nickte er nur.
„Ja. Alles entsorgen. Komplett.“
Niemand sagte etwas.
Wir schauten auf die Behälter, in denen noch vor Stunden unser ganzer Stolz geschmort hatte.
Ein dumpfes „Platsch“, als der erste Eimer im Müll landete.
Mehrere hundert Franken Produktionskosten – einfach weg.
Und doch: niemand machte Vorwürfe.
Wir wussten alle, dass Fehler dazugehören.
Vor allem, wenn man mit dem arbeitet, was andere wegwerfen.
Später saßen wir beim Mittagessen, Brot mit Restpesto, die Stimmung still.
Der Chef sah müde aus, aber er lächelte.
„Seht’s positiv. Jetzt wissen wir wenigstens, dass Alufolie und Tomaten keine Freunde sind.“
Und so endete der Tag, wie er begonnen hatte:
mit einem Hauch von Idealismus –
und dem festen Glauben, dass Scheitern nur eine andere Form von Lernen ist.